Boris Becker artist photographer


Berlin 1978 - 1987 / ein Vorwort von Gerhart Baum

Da ist ein Siebzehnjähriger im geteilten Berlin und beginnt 1978 Stadtlandschaften zu fotografieren. Ein bemerkenswertes Jugendwerk, abgeschlossen im Jahre 1987, im Alter von sechsundzwanzig. Fotokunst also, aber auch mehr als das. Es geht um Berlin, um die in Ost und West geteilte Stadt. Die ausgewählten und hier veröffentlichten Arbeiten haben für mich neben der künstlerischen auch eine zeitgeschichtliche Dimension.

Ich habe nie in Berlin gelebt, aber die Stadt schon als Kind kennengelernt  - unter Bombenangriffen. Und nach dem Krieg war Berlin für mich Ort  vielfältiger politischer Aktivitäten – gerade auch in der Zeit als die Fotografien entstanden. Seit 1972 war ich Mitglied des Deutschen Bundestags,  später - in den Jahren, in denen Becker als Jugendlicher diese Dokumente schuf - Bundesinnenminister. Natürlich war ich als aktiver Politiker immer wieder auch mit den Problemen der Stadt befasst. Berlin befand sich einer  Ausnahmesituation, war eine Insel, abgeschnitten von der Bundesrepublik. Der Westteil von Berlin unterlag unter dem alliierten Kontrollrat politischen Beschränkungen und war nur auf wenigen vorgeschriebenen Wegen zu erreichen, durch eine Mauer abgeschnitten vom Umland und dem Ostteil der Stadt. Es gab viele Initiativen von westlicher Seite, um die Lebenskraft von Westberlin zu erhalten und zu fördern. Es entstand ein besonderes Klima, eine lebhafte Kultur- und Subkulturszene, die vor allem viele junge Menschen aus Westdeutschland anzog.  

Das muss man sich vergegenwärtigen, wenn man diese Arbeiten von Boris Becker betrachtet. Sie geben eine Stimmung wieder, die das durch Krieg und Mauer geprägte  Schicksal der Stadt und auch ihre graue, einsame Seite zum Ausdruck bringen.

Becker beschränkt sich auf einige Motivgruppen, die auch von der politischen Sensibilität des Künstlers zeugen: die Mauer, das Brandenburger Tor mit der Mauer von beiden Seiten; das  verödete Diplomatenviertel im Tiergarten; der einsam in Mauernähe in einer Wüste sich behauptende Martin-Gropius Bau; der Potsdamer Platz, der kein Platz mehr war; die historischen Bauten in Ostberlin, die gar nicht mehr in diese Stadt zu passen scheinen; die S-Bahn, reduziert auf leere Waggons und Bahnhöfe. Es sind eindringliche Bilder. Vieles habe ich damals so gar nicht wahrgenommen oder auch gar nicht gekannt. Und das Bekannte erscheint in anderem Licht.
Die Ansichten eignen sich nicht für einen Werbeprospekt des schon damals beliebten Reiseziels Berlin. Es sind eben nicht Aufnahmen vom Kurfürstendamm, dem damals glamourösen Zentrum von Westberlin. Sichtbar werden die Folgen des Krieges mit seinen Zerstörungen und der Teilung der Stadt. Etwa die Ruine des Anhalter Bahnhofs auf leerer Fläche - kein Mensch ist sichtbar auf diesem früher so belebten Platz. Bedrückend  der Blick auf die durch die Mauer und Häuserfront zur Gasse geschrumpften Zimmerstraße oder der Blick auf die Mauer entlang des Brandenburger Tors, und dieses selbst vor dem menschenleeren Pariser Platz. Überhaupt sind es menschenleere Stadtlandschaften, in denen nichts passiert. Ein sehr persönlicher Blick des Künstlers in die Befindlichkeit dieser Stadt, die so anders war als alle anderen deutschen Städte zu der Zeit.

Zusammengestellt in diesem Band sind eindrucksvolle Arbeiten des jungen Künstlers Boris Becker. Klar gegliederte Ansichten, die in ihren strengen, kühlen Linien auf die Nähe zu seinem späteren Lehrer Bernd Becher in der Kunstakademie Düsseldorf und auf die künstlerische Entwicklung Beckers über die nachfolgenden Jahrzehnte hinweisen.

Gerhart Baum April 2015


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